„Draußen sein“

Auszug aus dem Artikel „Draußen sein“ von Anke Sparmann (Zeit Magazin)

„Kurpark von Bad Wörishofen. Rosengarten, Rasenflächen, Springbrunnen, der Weg nimmt Anlauf und schwingt sich über hügelige Wiesen hinweg in den Wald. Dahinter, wo das Allgäu schroff und wild wird, hat Wernher Sachon eine Hütte. Sein Rückzugsort, wenn er am Anschlag ist. Sachon hat vier Kinder und einen anstrengenden Beruf. Er ist Psychotherapeut.

In seine Praxis kommen Menschen mit Ängsten, Depressionen, Burn-out. Quittungen der Psyche für … tja, für was? Schlechte Kindheit, zermürbenden Job, gebrochenes Herz, die Komplexität des modernen Lebens schlechthin? Das Tollste an seinem Beruf, sagt Sachon, sei dieser Moment, wenn Therapeut und Patient einander in die Augen sehen und beide sagen: „Ja. Die Menschen können mit den furchtbarsten Einsichten fertig werden, wenn sie nur tief in sich spüren, das ist jetzt wahr.“

Um an diesen Punkt zu kommen, nutzt Wernher Sachon in seinen Therapien die Natur. Ein paar Tage Wildnis, dort geht es ums Wesentliche. Der Schutzpanzer der Menschen, errichtet, um die Zumutungen der Welt nicht ranzulassen, bricht auf. „Dann sehe ich“, sagt Sachon, „sie werden wieder lebendig!“

Doch die Ausflüge, die Sachon mit seinen Patienten ins Grüne macht, zielen nicht auf Stressreduktion und Erholung, sondern auf persönliche Veränderung. Der erste Schritt dorthin kann schmerzhaft sein. Wer sich für eine Landschaft öffnet, ihre Weite oder Stille spürt, wird innerlich bewegt. Rohe Emotionen steigen hoch. Trauer um Träume, die sich nicht realisiert haben. Wut darüber, vom Partner verlassen worden zu sein – oder im falschen Beruf auszuharren. Doch die Natur, sagt Wernher Sachon, weise uns auch Wege, uns weiterzuentwickeln. Besonders dort, wo Tiere und Pflanzen sich frei entfalten: in wilden Wäldern, auf wuchernden Wiesen. Dort also, wo die Natur ihre unbändige Kraft zeigt, sich immer wieder zu erneuern und von selber ins Gleichgewicht zu finden.

In der Krise begibt sich der Mensch in die Wildnis, erlebt sich selbst als Teil eines lebendigen, sich selbst regulierenden Prinzips, kehrt, innerlich gereift, mit neuem Vertrauen darauf, dass die Dinge wieder in Ordnung kommen, in den Alltag zurück. Gibt es ein schöneres Ende für die Geschichte von Mensch und Natur?“

Hinter der Geschichte: Anke Sparmann, Landkind, ist nach Jahren in der Großstadt wieder aufs Dorf gezogen. Ihr Traum: eine Streuobstwiese. Im Weg: Hunderte Quadratmeter Brombeergestrüpp – und eine gewisse Trägheit. Nach dieser Recherche griff sie sofort zur Heckenschere. Eine erste Schneise durchs Dornendickicht existiert bereits.

http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/20/natur-wohlbefinden-gesundheit-wald-wissenschaft

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